Ein Wettbewerb mit Weitblick: 60 Jahre Hotzenwald-Wettbewerb im internationalen Segelfluggeschehen

Marcus Neubronner

6. Juni 2025

Zum 60. Mal findet in diesem Jahr der Hotzenwald-Wettbewerb statt und ist damit der am längste durchgeführte seiner Art. Anlässlich dieses Jubiläums betrachtet dieser Chronik-Beitrag nicht nur die letzten 25 Jahre, sondern der Blick geht noch weiter zurück, bis ins Jahr 1964 und davor, also in die Phase, in der der Internationale Hotzenwald-Wettbewerb entstand. Folgen wir Marcus auf diese Zeitreise.

Wettbewerbsluft am Morgen

Wenn früh am Morgen das Hupen des Brötchendienstes über das Flugfeld hallt, sind viele längst wach. Der Blick zum Windsack verrät: Es wird ein guter Tag. Die Sonne steigt langsam über den Horizont, taucht den Hotzenwald in warmes Licht und gibt den Blick frei – über die dunklen Höhen des Schwarzwalds im Norden bis hin zu den fernen Gipfeln der Alpen im Süden. Auf dem Grasplatz herrscht geschäftiges Treiben: Segelflugzeuge werden aufgebaut, Schleppmaschinen aus der Halle gezogen, Stimmen hallen über das Gelände. Es liegt eine besondere Mischung aus Ruhe, Konzentration und leiser Vorfreude in der Luft – eine Stimmung, die seit Jahrzehnten den Auftakt zu einem ganz besonderen Ereignis markiert: dem Segelflug-Wettbewerb auf dem Hotzenwald.

Von der Wasserkuppe bis fast nach Wien – wie alles begann

Ein strammer, weiß-roter Windsack vor blauem Himmel.

Die Idee zum Hotzenwald-Wettbewerb geht auf eine außergewöhnliche Flugerfahrung zurück. Ende der 1950er-Jahre nahm Fritz Rueb an der Freiburger Segelflugwoche teil – gemeinsam mit der legendären Hanna Reitsch. Sie ermutigte ihn, sich für den renommierten Internationalen Wettbewerb auf der Wasserkuppe zu bewerben. 1960 startete Rueb dort mit seinem L-Spatz 55 – und sorgte für Aufsehen: Bei einer freien Streckenflug-Aufgabe unter Nordwind-Bedingungen meldete er Wien-Schwechat als Ziel. Nach einem außergewöhnlichen Flug über beeindruckende Landschaften landete er nur 60 Kilometer vor der österreichischen Hauptstadt – Tagessieg inklusive.

Diese Erfahrung ließ ihn nicht mehr los. Die Faszination des lautlosen Fliegens und der Wunsch, sie weiterzugeben, wurden zum Antrieb für ein neues Vorhaben: ein eigener Wettbewerb im Schwarzwald.

Gemeinsam mit Herwig Herzog, dem damaligen Präsidenten der Luftsportgemeinschaft Hotzenwald, und den Fluglehrern Kurt Springer und Hermann Kramer setzte Fritz Rueb seine Vision in die Tat um. Mit viel Einsatz und der Unterstützung zahlreicher Vereinsmitglieder fand 1964 der erste Internationale Hotzenwald-Wettbewerb statt – über dem Schwarzwald, auf dem Hotzenwald.

Von Beginn an war der Wettbewerb für Gäste offen und wurde jährlich durchgeführt. In den ersten Jahren an zwei Wochenenden über Pfingsten – mit Seilwindenschlepp, bei dem Start- und Abflugzeit identisch waren. Ab 1966 übernahmen Schleppflugzeuge den Startbetrieb. Was als Herzensprojekt begann, entwickelte sich zu einer festen Größe im deutschen Segelflug-Kalender

Schwarz-weiß-Aufnahme eines historischen Segelflugzeugs mit der Aufschrift Hotzeblitz, der Pilot steht im Overall daneben.

Ein Wettbewerb mit Profil – international, innovativ, inspirierend

Schwarz-weiß-Aufnahme: Mehrere Männer stehen herum, ein Segelflugzeug-Leitwerk ragt von rechts ins Bild.

„50 Jahre Hotzenwald-Wettbewerb“ war dann im Jahr 2013 das Motto, für den ältesten dauerhaft durchgeführten Segelflug-Wettbewerb in Deutschland. Heute ist der Internationale Hotzenwald-Wettbewerb weit mehr als nur ein sportlicher Vergleich. Mit einer Begrenzung auf 40 Flugzeuge, bedingt durch die Struktur des Flugplatzes, gelingt es dem Organisationsteam, eine familiäre Atmosphäre zu bewahren – bei gleichzeitig internationalem Anspruch. Jahr für Jahr reisen Piloten aus ganz Deutschland, aus der Schweiz und aus Österreich auf den Hotzenwald. Aber auch Gäste aus Norwegen, England und neuerdings sogar aus den Niederlanden und Australien finden den Weg hierher. Den inoffiziellen Preis für die weiteste Anreise hat sich im Jahr 2025 Ron Sanders aus Australien schon jetzt verdient.

Neben der gelebten Internationalität zeichnet sich der Wettbewerb durch seine gesunde Altersstruktur aus. Die gezielte Förderung junger Pilotinnen und Piloten trägt Früchte: Im Teilnehmerfeld finden sich sowohl Routiniers mit jahrelanger Wettbewerbs-Erfahrung als auch junge Talente, die hier erste Schritte in die Welt des Leistungs-Segelflugs machen – begleitet von erfahrenen Coaches.

Für die Luftsportgemeinschaft Hotzenwald hat der Wettbewerb einen besonderen Stellenwert – als sportliches Ereignis, als Gemeinschaftserlebnis, als Statement. Denn der Wettbewerb ist auch Ausdruck des berechtigten Anspruchs der Segelflieger auf ihren Luftraum, der in Zeiten wachsenden kommerziellen Luftverkehrs zunehmend unter Druck gerät. Sichtbarkeit ist hier entscheidend – ein internationaler Wettbewerb sendet ein klares Signal: Wir sind da, wir fliegen hier, wir gehören dazu.

Auch für die Region ist der Hotzenwald-Wettbewerb ein Gewinn. Gäste aus dem In- und Ausland logieren in Ferienwohnungen, besuchen Restaurants, erkunden touristische Highlights. Für die lokale Bevölkerung ist die Veranstaltung ein Magnet während der Pfingstwoche – sei es beim Besuch am Flugplatz oder beim Beobachten der eleganten, lautlosen Flugzeuge über dem Himmel des Hotzenwaldes.

Was den Wettbewerb besonders macht, ist sein klug überarbeitetes Konzept. Sicherheit, Gemeinschaft und Innovation stehen im Mittelpunkt. Mit der Einführung einer Clubklasse für Oldtimer aus Holz, gepaart mit einfachen Aufgaben für Wettbewerbs-Neulinge, entsteht ein Raum, in dem fliegerische Leidenschaft auf Augenhöhe gelebt wird. Piloten ohne eigenes Rückholteam können dennoch teilnehmen, was Hürden abbaut. Und mit einem Jugendfonds, der jungen Pilotinnen und Piloten finanziell unter die Flügel greift, wird das solidarische Miteinander im besten Sinne gelebt: Wer früher unterstützt wurde, gibt heute gern etwas zurück..

Ein historisches Schwarz-Weiß-Bild: Mehrere Oldtimer-Segelflugzeuge stehen in Startaufstellung auf einer Wiese.

Auch sportlich ist der Wettbewerb auf der Höhe der Zeit: Die offizielle Listung bei der International Gliding Commission (IGC) garantiert Weltranglisten-Punkte – für viele ein zusätzlicher Anreiz, auf dem Hotzenwald an den Start zu gehen.

Geschichten, Köpfe und Kurioses aus vier Jahrzehnten

Der Hotzenwald-Wettbewerb lebt nicht nur von Thermik und Taktik, sondern auch von seinen Geschichten. Eine der wohl legendärsten schreiben Bernhard und Martina Kiefer – mit ihrem Bergfalken IV. Lange bevor es eine eigene Clubklasse für Holzflugzeuge gab, starteten die beiden mit ihrem betagten Doppelsitzer in der Doppelsitzer-Klasse, die damals fast ausschließlich aus modernen Duo Discen bestand. Der Bergfalke, ein Oldtimer mit Holztragflächen, war leistungsmäßig haushoch unterlegen – aber Bernhard und Martina hatten zwei Trümpfe im Ärmel: Psychologie und einen hervorragenden Handicap-Faktor. Mit ideenreichen Modifikationen wie Winglets und einklappbarer Fahrwerks-Verkleidung verwandelten sie ihren Bergfalken optisch in ein Hightech-Unikat – und fliegerisch ohnehin eine Bank. Mehrfach sicherten sie sich damit Tagessiege, flogen Strecken über 400 km, und verdienten sich so ihren Spitznamen: "Der Duo-Schreck."

Ein Doppelsitziges Segelflugzeug, der hintere Pilot zeigt Stinkefinger.

Die LGH in Bewegung

Auch flugtechnisch hat der Wettbewerb Maßstäbe gesetzt. 2007 wurden gleich an zwei Tagen Strecken über 500 km ausgeschrieben – bis heute Rekord in der Geschichte des Wettbewerbs.

Möglich wurde das durch die exzellente meteorologische Unterstützung von Dr. Manfred Reiber, der mit seiner Erfahrung und seinem Gespür für lokale Wettereigenheiten die Grundlage für viele starke Wertungstage gelegt hat. Ihm ist auch das heutige, professionelle Wetterbriefing zu verdanken, das auf fundierten Modellen und jahrzehntelanger Erfahrung beruht – und oft genug den Unterschied zwischen „Warten im Regen“ und einem erfolgreichen Wertungstag macht. Natürlich gab es auch Jahre, in denen das Wetter nicht mitspielte. 1983 etwa war ein Totalausfall: „Es hat nur einmal geregnet – von Samstag bis Samstag“, wie Werner Kramer lakonisch festhielt. Und auch 2020 und 2021 fiel der Wettbewerb coronabedingt aus. Doch der Hotzenwald-Wettbewerb ist bekannt für seine Anpassungsfähigkeit: Moderne Technik wie GPS-Flugdatenrekorder, FLARM-Systeme zur Kollisionsvermeidung und neue Aufgabenformen wie Assigned Area Tasks haben den Wettbewerb nicht nur sicherer, sondern auch flexibler gemacht – gerade bei wechselhaften Wetterlagen.

Eine Person steht hinter einem Segelflugzeug, indem jemand sitzt und das die Haube offen hat.
Eine Blaskapelle spielt in einem Hangar unter aufgehängten Segelflugzeugen.

Auch organisatorisch wurde immer wieder feinjustiert. Die Siegerehrung etwa fand früher traditionell am Sonntagmorgen statt – begleitet von der Blaskapelle Heimatklang Hütten und dem obligatorischen Fliegermarsch zu Ehren von Lore Sturm, der Präsidentin des Badischen Luftsportverbands. Heute ist die Siegerehrung auf den Samstagabend vorgezogen, um den vielen internationalen Teilnehmern eine entspannte Heimreise zu ermöglichen. Der Heimatklang Hütten bleibt dennoch legendär – auch ohne Sonntag.

Und dann sind da die Menschen, ohne die der Hotzenwald-Wettbewerb nicht das wäre, was er heute ist. Allen voran Karl Enggist, der über 25 Jahre als Wettbewerbsleiter mit schweizerischer Gelassenheit und meteorologischem Faible – besonders für die Sondenaufstiege aus Payerne – das Geschehen prägte.

Einzigartig und wertvoll ist der Hotzenwald-Wettbewerb vor allem durch seine besondere Atmosphäre: freundschaftliches Miteinander, gemeinsame Abende und fliegerische Erlebnisse in einer der reizvollsten Gegenden Europas. Die Aufgaben führen vom Schwarzwald über die Schwäbische Alb bis in den Schweizer Jura – ein Mittelgebirge mit alpinen Zügen, das anspruchsvolle Strecken und atemberaubende Landschaftserlebnisse vereint. Dabei steht bei aller sportlichen Ambition immer die Sicherheit im Vordergrund. Trotz seiner überschaubaren Größe mit rund 40 teilnehmenden Flugzeugen ist der Hotzenwald-Wettbewerb alles andere als ein „Dorfwettbewerb“. Weltranglisten-Punkte unterstreichen den sportlichen Anspruch. Gleichzeitig engagieren wir uns aktiv für den Nachwuchs: Unser Jugendfonds unterstützt junge Pilotinnen und Piloten, fördert den Austausch mit erfahrenen Wettbewerbspiloten – darunter auch Mitglieder aus National-Mannschaften – und setzt gezielt auf Vernetzung. Auch fliegerische Tradition hat ihren festen Platz: Die Clubklasse für Holzflugzeuge wird bei uns weiterhin gefeiert.

Zwei Männer in einem Flugzeughangar, im Hintergrund Segelflugzeuge.

Für die kommenden Jahre wünschen wir uns, noch mehr internationale Gäste begrüßen zu dürfen – insbesondere aus dem benachbarten Frankreich. Technologisch möchten wir das Live-Tracking weiter ausbauen und träumen davon, eines Tages sogar Live-Bilder aus dem Cockpit an die Zuschauer am Boden zu übertragen. Vor allem aber wünschen wir uns viele weitere Wettbewerbe bei gutem Wetter, mit spannenden Flügen und – wie in all den Jahren zuvor – ohne schwere Zwischenfälle.

60 Jahre Engagement – ein Wettbewerb lebt durch seine Menschen

Drei Personen sitzen hinter einem Tisch und lächeln in die Kamera.

Von der Idee einiger Segelflugbegeisterter im Süden des Schwarzwalds bis zu einem international beachteten Wettbewerb mit Weltranglisten-Status: Der Hotzenwald-Wettbewerb hat sich über sechs Jahrzehnte hinweg stetig weiterentwickelt – ohne seine Wurzeln zu verlieren. Mit Ausnahme der zwei Coronajahre 2020 und 2021 ist er der älteste noch stattfindende Segelflugwettbewerb Deutschlands – und der längste, ohne Unterbrechung durchgeführte seiner Art. Mein Dank gilt allen helfenden Händen der Luftsportgemeinschaft Hotzenwald – insbesondere dem aktuellen Wettbewerbsteam mit Wettbewerbsleiterin Lucia Liehr, Sportleiter Marc Wielscher sowie dem Flugbetriebs-Team Christoph Schäufele und Johannes Michalski.