Andris Kade
2. Juli 2025
Andris Kade
2. Juli 2025
Das Wandersegelfliegen hat sich vor allem mit den motorisierten und eigenstartfähigen Segelflugzeugen verbreitet. Vom Hotzenwald aus hat Andris Kade in den letzten Jahren viele derartige Reisen unternommen. Hier berichtet er davon.
Wandersegelflug ist ein Reisen der besonderen Art. Man weiß zu Beginn oft nicht, wo man bis zum Ende überall sein wird. Aber beginnen wir erst mal von vorn: Segelfliegen hat viele Facetten. Manche Fliegerkameraden nehmen an Meisterschaften teil, andere wiederum versuchen sich an neuen Streckenrekorden oder so mancher unternimmt eine Reise mit dem Segelflugzeug. Aber wie funktioniert das? Beim Reisen mit einem Segelflugzeug wird täglich die Wettersituation für den Flugtag und die nächsten zwei bis drei Folgetage analysiert. Die nach Vorhersage optimalsten Wetterbedingungen, egal in welche Richtung werden dann genutzt, um ein weiteres fernes Ziel anzusteuern. So kommt es zu den skurrilsten Streckenführungen. Diese fordert den Piloten so einiges ab: Vom Flachlandfliegen bis zum Gebirgsfliegen muss alles vom Piloten beherrscht werden.
Seit 2011 sind meine Frau Gabi und ich mit unserer DG-500M, einem eigenstartfähigen Doppelsitzer, unterwegs. Über einen Zeitraum von zehn Jahren begleitete uns Thomas Wieland mit seiner einsitzigen ebenfalls eigenstartfähigen DG-800B. Teamflug hat sich für diese Art des Reisens stets bewährt. Gegenseitige Unterstützung im Fluge wie auch am Boden machte bei so mancher Tour das Leben leichter. Von unschätzbarem Wert sind hierbei Thomas` Sprachkenntnisse (er spricht unter anderem fließend Französisch und Spanisch) sowie sein unglaubliches Talent fremde Menschen anzuquatschen und diese für Fahrdienste zum Hotel zu engagieren ...
Meine Aufgaben waren da eher praktischer Natur: Flugvorbereitungen, Organisation von Ersatzteilen und Kleinreparaturen an unseren Flugzeugen, wenn doch mal die Technik streikte. Eines aber vorweg: Wir sind über all die Jahre nie liegen geblieben und immer fliegenderweise nach Hause gekommen. Wenn auch so manche Panne am Flieger viel Nerven, Schweiß und Diskussionen kosteten ...
All zu gut erinnere ich mich an unseren ersten Wandersegelflug 2010. Damals hatte ich das Flugzeug gerade mal ein Jahr und war bereits darauf gut eingeflogen. Organisiert wurde diese Tour durch unseren Fliegerkameraden Peter Simon, einem exzellenten Segelflieger mit jahrelanger Erfahrung im Wandersegelflug.
Insgesamt waren wir neun Piloten mit sechs Flugzeugen (3x Doppelsitzer, 3x Einsitzer). Besondere Herausforderung auf dieser Tour war allerdings, dass nicht alle Segelflugzeuge eigenstartfähig waren. Die Auswahl der Flugplätze musste daher im Vorfeld sorgfältig geplant werden. Peter war darin grandios. Mit sechs Flugzeugen im Team nach Spanien und wieder zurückzufliegen war schon eine Leistung. Die Strecke führte uns entlang einer klassischen Route, welche im Übrigen auch von vielen Zugvögeln gewählt wird. Gestartet wurde in Hütten - Pierrelatte im Rhonetal - Puivert (nördlichen den Pyrenäen) - Santa Cilia (kurz vor Pamplona) - Fuentemilanos (nördlich Madrid). Erst beim Aussteigen in Fuentemilanos wurde mir bewusst, dass wir in den letzten Tagen eine Strecke von über 1.400 km zurückgelegt hatten – alles im Segelflug wohlgemerkt. Der Motor kam nur zum Starten und für den Einstieg in die Pyrenäen zum Einsatz.
Der Rückweg erfolgte auf nahezu gleicher Strecke, sodass wir nach neun Tagen alle glücklich aber erschöpft wieder in Hütten ankamen. Bilanz: neun Tage bei bestem Wetter fliegen, über 55 Flugstunden und knappe 3.000 km Flugstrecke. Bis auf Peter, der mit Werner Wassmer im Doppelsitzer flog, und für Thomas Wieland war das für alle anderen der erste Wandersegelflug gewesen.
Für mich und meine Frau Gabi war das der Zündfunken, auch in den Folgejahren Wandersegelflüge durchzuführen. Zwischen 2012 und 2014 erfolgten weitere Wandersegelflüge nach Spanien, leider allerdings nicht mehr in der großen Gruppe, was bis heute ein einmaliges Ereignis blieb.
Wetterbedingt wurde 2015 erstmalig nach Osteuropa ausgewichen. Die bisherige Flugroute nach Spanien war durch Gewitter und Regen in den Pyrenäen nicht machbar. Gabi und ich entschieden, den Sommerurlaub in Lesce (Slowenien) zu verbringen – natürlich mit der Option von dort aus den Wandersegelflug beginnen zu lassen. Mit Thomas Wieland, unserem langjährigen Teampartner, hatten wir bereits im Vorfeld ausgemacht, uns unterwegs zu treffen, sollte ein Wandersegelflug möglich sein. Und tatsächlich: die Großwetterlage im Alpenraum ließ einen Abflug in die Westalpen zu. So sind wir zum Wandersegelflug-Abenteuer 2015 aufgebrochen. Die erste Etappe endete in Norditalien nahe Bergamo auf dem kleinen Flugplatz Valbrembo. Jetzt war Thomas allerdings auf der Alpen-Nordseite und wir auf der Südseite. Längere beratende Telefonate brachten schließlich die Lösung.
Wir setzten den Flug am zweiten Tag weiter Richtung Westen fort und erreichten am späten Abend bei nur mäßigem Wetter den Flugplatz Chambery Challes-le-Eaux. Gewittrige Luftmassen zwangen tags darauf zu einem Ruhetag – genügend Zeit, um mit Thomas weitere Pläne telefonisch zu klären. Als Treffpunkt wurde Agathazell ausgehandelt. Die Alpen-Südseite war für diesen großen Sprung bestens geeignet. Thomas startete vom Heimatflugplatz Hütten. Trotz der großen Distanzunterschiede, die wir zu bewältigen hatten, landeten Gabi und ich kaum 15 Minuten nach Thomas in Agathazell. Von dort an konnten wir die nächsten 12 Tage ohne Unterbruch durch Deutschland, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und zurück nach Slowenien fliegen.
Nicht immer gelingen Wandersegelflüge optimal. So erinnere ich mich an das Jahr 2018, als uns der Wandersegelflug über Umwege nach Ungarn, genauer gesagt nach Pecs, führte. Pecs liegt im Südwesten Ungarns, südlich des Balatons. Eine kleine Stadt mit einem durchaus sehr schönen historischen Stadtkern. In jenem Jahr meinte es das Wetter mit uns nicht gut. Vier Tage bei teils strömendem Regen mussten wir auf brauchbares Flugwetter warten. Sämtliche Sehenswürdigkeiten waren bereits nach dem zweiten Tag besucht, die feinen Zuckerbäcker, von denen Thomas immer so schwärmt hatte, längst ausprobiert. Am fünften Tag endlich brauchbares Wetter. Gute Flugbedingungen in den Folgetagen brachte uns schliesslich nach knapp drei Wochen reisen wieder zurück nach Hütten.
Besonderes Highlight war die letzte Etappe von Zell am See (Österreich) nach Hütten. Die Route führte über den Gerlospass - St. Moritz - Walensee - entlang der Nordalpen nach Cham und schließlich nach Hütten, wo wir spät mit der letzten Thermik und einer Strecke von gut 460 km ankamen.
Sicherlich eines der größten Abenteuer als Segelflieger hatte ich auf dem Weg nach Rumänien 2019. Zu dieser Zeit war Rumänien noch nicht im Schengen-Raum. Das Einfliegen nach Rumänien war nur möglich mit einer offiziellen Ausreise über einen Zollflughafen. Eigentlich nichts Außergewöhnliches, jedoch für einen Segelflieger schon. Als Flughafen wurde in Ungarn der Verkehrsflughafen Debrecen gewählt – da wo die großen Verkehrsflieger landen. Erstaunlicherweise wurde der Flugplan von der Slowakei nach Debrecen ohne größere Nachfragen angenommen. Die wussten wohl nicht, dass ein Segelflugzeug auf dem Verkehrsflughafen anfliegen würde ... Cool, endlich mal eine richtige Landebahn zum Landen – 2.400 m x 65 m groß!
Erst kurz vor dem Aufsetzen auf der Landebahn fiel dem Fluglotsen auf, dass wir im Segelflugzeug unterwegs sind. Da war es aber schon zu spät – die Kommandos zum Rollen kamen prompt und professionell. Der Follow-Me-Wagen-Fahrer sichtlich irritiert, begleitete uns aber routiniert zum Abstellplatz.
Am nächsten Tag mussten wir für den Weiterflug unsere Flugzeuge auftanken. Womit wir allerdings nicht rechneten – an Privatpiloten wird am Flughafen kein Benzin verkauft. Nach viel, ja sehr viel Überredungskunst durch meine Frau (sie ist Ungarin), durften wir von ausserhalb des Flughafens mitgebrachtes Benzin sogar offiziell durch die Sicherheitskontrollen mitnehmen. Nach Flugplan-Aufgabe und Zollabfertigung wurde der Start in einem eng definierten Slot genehmigt. Die Reise nach Rumänien konnte fortgesetzt werden. Das Anfliegen des Zollflughafens in Oradea (Rumänien) waren wir bereits von Debrecen her gewohnt, zumindest bis zu dem Zeitpunkt als der Lotse mir Anweisungen zum Sichtanflug gab: "D-KFOZ continue visual approach and report left downwind". Dummerweise hatte ich keine Sichtanflugkarte zur Hand und wusste nicht wirklich etwas mit der Anweisung anzufangen, zumal die aktuelle Höhe nicht mehr zu viel Umwege zuließ (wir waren ja im Segelflug unterwegs). Als ich dem Lotsen mitteilte: "D-KFOZ, I am a glider and request a direct approach", kam umgehend die Antwort: "Oh --- OK, no problem take you best way. Cleared for landing!" Später haben wir erfahren, der Lotse ist selbst Segelflieger am 15 km entfernten Segelflugplatz, wo wir noch am selben Tag nach der Zollabfertigung landeten.
Die Jahre 2020 bis 2022 gestalteten sich wegen der Corona-Pandemie ziemlich chaotisch. Oft wusste man nicht, ob die Reise fortgesetzt werden kann oder nicht. Durch die Einschränkungen war auch die Auswahl der Unterkünfte zum Glücksspiel geworden. 2021 konnte wieder ein Versuch nach Spanien folgen, wobei diesmal die Wetterlagen meist sehr schwierig und durch die Corona-Beschränkungen weit mehr Vorbereitung erforderlich war wie sonst üblich. Auf dieser Tour waren Gabi und ich erstmalig allein unterwegs.
Besonderes Highlight war die letzte Etappe von Zell am See (Österreich) nach Hütten. Die Route führte über den Gerlospass - St. Moritz - Walensee - entlang der Nordalpen nach Cham und schließlich nach Hütten, wo wir spät mit der letzten Thermik und einer Strecke von gut 460 km ankamen.
2023 gelang es uns, mit Luci uns Jaques Liehr ein neues Team zu bilden, zumindest für die ersten vier spannenden Tage. Ab Flugplatz Burg Feuerstein trennten sich die Wege, denn für Luci und Jaques war es der erste Wandersegelflug. Für einen Weiterflug nach Osteuropa konnten wir sie noch nicht begeistern. Für uns war die Region nichts grundsätzlich Neues. Ständig ändernde Wetterlagen machten die Streckenführung besonders kniffelig. Nach insgesamt 16 Etappen durch Deutschland, Tschechien, Slowakai, Ungarn und Österreich kamen wir nach insgesamt 5.200 km, 78 Flugstunden und nur rund 3,5 Stunden Motorlaufzeit wieder in Hütten an. Dies war bislang der größte Wandersegelflug mit den meisten Etappen und brachte überraschenderweise den zweiten Platz im Internationalen Wettbewerb für Wandersegelflüge 2023. (Wertung "Travel by Glider" 2023).
Blättere ich in meinen Bordbuch-Aufzeichnungen, so ist festzustellen, dass meine Frau und ich in den letzten 13 Jahren im Durchschnitt auf Wandersegelflügen 12 Etappen geflogen sind – einmal sogar 16. Das ergab Flugstrecken zwischen 3.000 und 5.200 km pro Wandersegelflug und in 13 Jahren einmal um die Welt!
Nächste Termine bei uns:
Flugplatzfest am 13./14.09.2025
Schnupperflugtag: erst wieder 2026 - Fliegen lernen? => hier!